Der Getriebebauer Stiebel stellt seine Produktion von Spezialmaschinen auf Multitasking Maschinen von Okuma um. Damit kann der Hersteller bei seinem großen Produktportfolio gut ein Drittel aller Arbeitsschritte einsparen. Die modernen Maschinen für komplexe Komplettbearbeitung eröffnen zudem weitere Vorteile.
Verzahnungsmaschinen sind ausgesprochene Spezialisten in ihrem Bereich. Die Herstellung von Zahnrädern geht auf ihnen am schnellsten vonstatten. Genaugenommen rentiert sich der Einsatz dieser teuren Maschinen aber erst bei höheren Stückzahlen und Auslastungen. Hinzu kommt, dass ihr Geschwindigkeitsvorteil relativiert wird, sobald sie in eine Prozesskette integriert werden, die mehrere Bearbeitungsschritte umfasst, da die Bauteile auf Universalmaschinen vorbearbeitet werden müssen.
Diese Erfahrung hat Stiebel-Getriebebau über lange Zeit gemacht. Die Bearbeitung von Verzahnungsbauteilen begann typischerweise auf einer Revolverdrehmaschine.
Anschließend wurde eine Universalfräsmaschine eingesetzt, bevor einzelne Spezialmaschinen zum Wälzfräsen, Stoßen oder Räumen nötig waren. Bestimmte Sonderaufgaben wurden zudem außer Haus gefertigt.
Kundenspezifische Verteilergetriebe
Seit der Gründung 1946 hat die Stiebel-Getriebebau GmbH & Co.KG ihren Firmensitz in Waldbröl stetig vergrößert. Die Anfänge des Unternehmens lagen in der Produktion von Triebachsen für landwirtschaftliche Maschinen. Über diesen Weg kam man zu einfachen Stirnradgetrieben und später zu Kegelstirnradgetrieben für die Fördertechnik. Mit der Erweiterung um Sondergetriebe hat sich der Schwerpunkt zunehmend in den Bereich der Verteilergetriebe verlagert. Anfang der 1990er Jahre hat sich das Geschäftsfeld verändert und Stiebel-Getriebebau fokussierte sich auf kundenspezifische Pumpenverteilergetriebe. Diese Getriebe ermöglichen die Steuerung der Hydraulik von Maschinen durch einen Antrieb und mehrere Abtriebe und finden Anwendung in Baumaschinen sowie in der Land- und Forstwirtschaft.
Bei Stiebel-Getriebebau in Waldbröl sind insgesamt 250 Mitarbeiter beschäftigt. Hinzu kommen Vertriebsgesellschaften in China und den USA. Der Auslandsumsatz liegt bei 60%. Getrennte Fertigungsbereiche bilden die Produktion der vorwiegend aus Guss hergestellten Gehäuse und der Verzahnungskomponenten, also der Zahnräder, Wellen und Kupplungsstücke. Die Gehäuse werden in der Regel auf einem Bearbeitungszentrum komplett hergestellt, im Gegensatz zu den Verzahnungsteilen.
Stiebel setzt seit 50 Jahren auf Okuma
Seit 50 Jahren arbeitet Stiebel-Getriebebau mit Drehmaschinen von Okuma. Als Raffaele Esposito, der Vertriebsingenieur von Okuma, 2011 zum ersten Mal in das Unternehmen kam, war ihm schnell klar, wie die Produktivität in der Fertigung gesteigert werden kann: „Ich war von Anfang an überzeugt davon, dass ein Okuma Dreh-/Fräszentrum die richtige Maschine für Stiebel-Getriebebau ist. Auf diesen Multitaskingmaschinen können die komplexen Bearbeitungen, inklusive der Verzahnung, durchgeführt werden. Dies reduziert den Bedarf an weiteren Fräsmaschinen und reinen Verzahnungsmaschinen.“
Bis Stiebel-Getriebebau schließlich 2015 mit der Okuma B300II sein erstes Dreh-/Fräszentrum anschaffte, musste Esposito noch Überzeugungsarbeit leisten. Doch schließlich habe man in Waldbröl verstanden, dass dies die richtige Maschine für die Anforderungen und Arbeitsgänge ist. Das bestätigt auch Sascha Jaksic, Betriebsleiter Mechanik bei Stiebel-Getriebebau, der mit der Leistung der Multus B300II sehr zufrieden ist. „Eine Zahnwelle kann hier nahezu komplett auf einer Maschine hergestellt werden. Dabei verbesserte sich, durch die eingesparten Rüstvorgänge, die Anlageneffektivität. Die Durchlaufzeit konnte im hohen zweistelligen Bereich reduziert werden. Die hohe Teile- und Variantenvielfalt wurde so für uns beherrschbarer.“
Aufgrund der guten Erfahrungen mit der Multus B300II hat man sich dazu entschieden, den gesamten Drehbereich auf Multitaskingmaschinen umzustellen. Zwei neue Multus U4000 wurden bereits in Betrieb genommen, im Laufe des Jahres 2025 kommen noch zwei Multus U5000 für größere Bauteile hinzu. Durch diese Investitionen entfallen drei alte Drehmaschinen, zwei Fräsmaschinen, eine Wälzfräsmaschine und eine Räummaschine. Die neuen Okuma Multus Maschinen werden mit 120er Werkzeugmagazinen ausgestattet sein, die der Teilevielfalt gerecht werden. Somit lassen sich künftig auch kleine Losgrößen von eins bis zwanzig sehr effektiv produzieren, da das Rüsten mehrerer Maschinen entfällt.
Von 30.000 Arbeitsgängen auf 20.000
Die erreichten Einsparungen sind enorm. „Mit den Dreh-/Fräszentren können wir die Kette an Arbeitsgängen drastisch reduzieren und auf viele Spezialmaschinen verzichten, denn auf der Multus von Okuma sind alle Funktionen vorhanden“, so Jaksic. Die Anzahl der Arbeitsgänge verringert sich dadurch von 30.000 auf 20.000. Pro Fertigungsauftrag sind durchschnittlich nur noch vier statt sechs Arbeitsgänge erforderlich. Zudem macht sich Stiebel-Getriebebau unabhängiger von Lieferketten, weil nun auch besondere Bearbeitungsschritte selbst ausgeführt werden können, wie beispielsweise das stirnseitige Kreuzverzahnen.
Obwohl ein Dreh-/Fräszentrum für die Verzahnungen mehr Bearbeitungszeit benötigt als eine dedizierte Verzahnungsmaschine, fallen andere Tätigkeitszeiten weg oder werden reduziert, wie Malte Rutsch, Teamleiter Technical Management bei Okuma, erläutert: „Weil Rüstvorgänge, Umspannvorgänge, Logistik und Transport entfallen, kann schneller produziert werden, was entscheidend ist.“ Sascha Jaksic schätzt, dass eine Zeiteinsparung um ein Drittel möglich wird. Die kürzeren Arbeitspläne wirken sich zusätzlich positiv auf andere Bereiche wie Qualität, Arbeitssicherheit und Umwelt aus.
Entsprechend der Kundenanforderung hat Okuma jede der Multus Maschinen mit einem Verzahnungspaket ausgestattet. In eine dialoggeführte Maske werden Verzahnungsdaten vom Werkstück und dem Fräser eingegeben, woraus das NC-Programm generiert wird. „Um ein Programm zu erstellen, ist kein CAD/CAM-System erforderlich, es reicht der Dialog an der Maschine“, erläutert Rutsch. Bei Bedarf können NC-Sätze eingefügt werden, etwa, um bei Innenverzahnungen spezielle Spülfunktionen zu aktivieren.
Verzahnung mit höchster Präzision
Um auf einem Dreh-/Fräszentrum mit Verfahren wie dem Skiving präzise Verzahnungen herstellen zu können, ist eine sehr präzise arbeitende Maschine erforderlich. Bei diesem Wälzschälverfahren wird mit mehreren Schnitten gearbeitet. Um die höchste Genauigkeit aus dem Prozess herauszuholen, müssen die mit hohen Drehzahlen betriebenen Dreh- und Frässpindeln perfekt synchronisiert sein. Dies schafft Okuma dank dem Single Source Prinzip, das die perfekte Symbiose von Mechanik und Steuerungstechnik für eine ausgezeichnete Synchronisation und hervorragende Prozesssicherheit ermöglicht.
Temperaturbedingten Ungenauigkeiten begegnen die Okuma Multus Maschinen mit dem Thermo-Friendly Concept. Diese intelligente Technologie kompensiert temperaturbedingte Schwankungen und bewirkt eine präzise Maßhaltigkeit im kontinuierlichen Langzeitbetrieb. Weil das Warmlaufen der Maschinen sowie die manuelle Anpassung der Temperatureinstellungen entfallen, spart das Thermo-Friendly Concept Zeit und Kosten. „Wir hören freitags auf und machen Montagfrüh mit dem gleichen Maß weiter, ohne etwas umzustellen“, bestätigt Guido Lenz, Fertigungsentwickler Drehtechnik bei Stiebel-Getriebebau. Mit der Genauigkeit sei man sehr zufrieden.
Kollisionen werden vermieden
Schätzen gelernt haben die Fertiger auch das Kollisionsvermeidungssystem CAS. Auf den einfachen Drehmaschinen kam es etwa vier Mal pro Jahr zu einem Crash. Das war jedes Mal teuer, ließ sich aber kaum vermeiden, wenn für das große Produktspektrum pro Schicht bis zu zehn Mal umgerüstet werden musste. Auf der mit dem CAS ausgestatteten MultusB300II gab es in knapp zehn Jahren gerade mal zwei solcher Vorfälle. „Je sorgfältiger das System mit Daten von Werkzeugen, Spannmitteln und Rohteilen gepflegt wird, desto zuverlässiger funktioniert das Kollisionsvermeidungssystem“, erklärt Malte Rutsch.
„In dieser Perfektion und Ausführung habe ich so ein Kollisionsvermeidungssystem noch nirgendwo gesehen“, bestätigt Sascha Jaksic. Ihm gefällt auch, dass der Maschinenhersteller alles aus einer Hand anbietet und ist mit dessen Service sehr zufrieden.
Stiebel will seine Produktion aufgrund der gesammelten Erfahrungen weiter optimieren. Künftig soll das automatische Messen auf der Maschine genutzt werden, um anhand der Ergebnisse die Bearbeitung zu korrigieren. „Gegenüber manuellen Messvorgängen bringt das Zeiteinsparungen und wir automatisieren die Qualitätssicherung“, so die Erwartung von Jaksic. Die offene Steuerung von Okuma erleichtert den Datenaustausch in Richtung Industrie 4.0. Somit können beispielsweise Messprotokolle im Kundennetzwerk problemlos gespeichert werden.
Die 50-jährige Partnerschaft soll weiter ausgebaut werden. In einem jetzt anlaufenden Projekt geht es darum, zwei weitere alte Okuma Maschinen durch neue zu ersetzen. Auf einer Okuma LVT400 und einer Okuma LVT300 entstehen derzeit Zahnräder und Profilholwellen in größerer Stückzahl, was durch Automation erleichtert wird. Die beiden Vertikalmaschinen sind seit über 20 Jahren im Einsatz und sollen von modernen Maschinen abgelöst werden, die über ein Portal oder einen Roboter verfügen. Der Anspruch auch hier: Das Bauteilspektrum soll auf den Maschinen komplett bearbeitet werden können.
Für weitere Informationen zu beiden Unternehmen klicken Sie hier: Okuma Deutschland GmbH | Stiebel-Getriebebau GmbH & Co. KG
Autor / Bildquelle: Dipl.-Phys. Manfred Flohr